Autoren: Dr. Gerd Friese und Nico Thiemer
Dies ist der sechste Artikel in der Serie „Acht Thesen zur digitalen Transformation“.
Was verstehen wir unter der These 5 – Lernprojekt aktivieren?
„Denken wir an Lernen, dann wird der Begriff oft mit Frontalunterricht, PowerPoint-Folien und Faktenpauken in Verbindung gebracht. Modernes Lernen geht anders. Es ist ein Projekt, integriert in den Tagesablauf, damit Bestandteil der täglichen Arbeit, themenübergreifend und teamorientiert. Es geht nicht um Kompromisse oder den kleinsten gemeinsamen Nenner, sondern um die gegenseitige Ergänzung der Kompetenzen mit dem Ziel, die beste Lösung zu finden.
Spaß, Freude und die zu erreichende Anerkennung sind die eigentlichen Triebkräfte. Es gibt nichts besseres, nichts schöneres, sich selbst als eine kompetente Persönlichkeit in einem Team von Persönlichkeiten zu erleben!“
Lernprojekt aktivieren – ein Plädoyer für Wissensentwicklung und persönliche Anerkennung
Wir lernen das ganze Leben. Von Kindheit an treibt uns unsere Neugier an! Wohin ist am Anfang nicht so wichtig! Es gibt so vieles Neues zu entdecken: Die Sterne am Himmel, die Fische im Wasser und die wilden Tiere im Wald. Jeder neue Tag brachte neue Abenteuer. Was waren das für wunderbare Zeiten! Irgendwann aber kann es passieren, dass all das verloren geht. Die Kindheitsträume verschwinden und die Menschen hören auf neugierig zu sein. Oder doch nicht? Uns beschäftigt die Frage, warum schauen viele Menschen lieber die Folgen von z. B. „Game of Throns“ zum x-ten Mal, statt selbst aufzustehen und auf die Reise zu gehen? Könnte man das nicht auch als einen „bewusst in Kauf genommenen“ Realitätsverlust bezeichnen?
- Wenn Menschen (gewollt) die Zukunft abhanden kommt
Wir stellen zunehmend fest, dass die Reglementierung, was wir dürfen oder nicht (was für uns gut ist oder auch nicht), immer mehr zunimmt. Unter dem Deckmantel, Schaden vom Bürger fern zu halten, geht es leider nicht mehr nur um Vorsorge, sondern auch um den Ansatz der Verhaltenssteuerung bis tief ins Selbstbewusstsein hinein. Der Spruch „Gut und gerne leben“ bedeutet ordentlich Umsatz zu machen, um die Binnenwirtschaft anzukurbeln. Und das hat sogar einen wissenschaftlichen Hintergrund!
In einem Beitrag von Steffen Heyer (Magazin Brand eins „Die Menschen wollen vom Staat abhängig sein“) ist folgendes zu lesen: „In idealisierten Märkten handelt der Mensch für sich allein. Er ist auf seine individuelle Nutzenmaximierung bedacht und handelt dabei, zweitens, als (berechenbares) Vernunftwesen. Ökonomen gehen deshalb vom Individualismus und Rationalismus als Grundeigenschaften des Menschen als Wirtschaftssubjekt aus.“
Frank Schirrmacher beschreibt in seinem Buch „EGO – Das Spiel des Lebens“ (Karl Blessing Verlag Auflage 2013) noch viel klarer, dass es nicht Psychologen waren, welche die neuen Verhaltens- und Denkmodelle des „rationalen Selbstinteresses ….. entwickelten, sondern Ökonomen, Physiker und Mathematiker!“. So wurde der HOMO OECONOMICUS neu geboren und sein egoistisches Grundcredo ist: „Ich shoppe, also bin ich“.
„Was wird hier mit uns gespielt?“ fragt am Ende der Autor zu Recht und gibt auch gleich die Antwort: „Es wächst ein neues soziales Monster heran, das aus Egoismus, Misstrauen und Angst zusammengesetzt ist und gar nicht anders kann, als im anderen immer das Schlechteste zu vermuten. Und nichts, was man sagt bedeutet noch, was es heißt!“ Das zu lesen verun-sichert! Aber, wie täglich aus den Medien zu entnehmen ist, scheint es schon Realität zu sein! - Ohne Motivation keine Aktivität
„Ein guter Anfang braucht Begeisterung, ein gutes Ende Disziplin“ – Das Motto der deutschen Fußballnationalmannschaft während der WM 2014. Und, wie wir wissen, es hat funktioniert. Aber warum hat es funktioniert?
Mathias Rudolf schreibt in seinem Blog „Zeit zu Leben“ sinngemäß Folgendes: Psychologen haben vor einiger Zeit folgendes herausgefunden: Jeder Mensch hat unbewusste Motive, die ihn innerlich antreiben. Wenn ein Ziel mit diesen Motiven übereinstimmt, dann spüren wir in uns einen starken Antrieb. Wir sind von selbst motiviert. Aber leider sind uns diese Motive nicht wirklich bewusst, d. h., wir wissen in der Regel nicht genau, was uns antreibt, was wir wirklich wollen! Deshalb kann es gut sein, dass wir uns ständig „falsche Ziele“ setzen.
Genau an dieser Stelle setzt die (auf Beeinflussung ausgelegte) Theorie zur Schaffung des HOMO OEKONOMICUS in der praktischen „sozialen“ Marktwirtschaft an. Sie gibt uns Menschen ihre Ziele vor, indem sie ein wunderbares Zukunftsbild von einem sich immer wieder erneuernden Garten Eden (der Himmel auf Erden) in den Kopf einpflanzt – vorausgesetzt, wir gehorchen und shoppen ordentlich!
Melinda Davis formuliert es in Ihrem Buch „WA(H)RE SEHNSUCHT – Was wir wirklich kaufen wollen“ (Econ Verlag 1. Auflage 2003) wie folgt: „Getrieben von der Sehnsucht nach Wahrheit und Echtheit kaufen wir Produkte, die uns Geborgenheit, Gefühl und Sinn geben“! Aber kann man das wirklich kaufen oder sind wir am Ende durch die Manipulation nur Avatare von uns selbst in einer künstlich geschaffenen Welt geworden? Mit der Realität, was uns im Innersten wirklich antreibt, hat das überhaupt nichts zu tun.
Fangen wir an einer anderen Stelle noch einmal an neu zu denken: Warum hat das Unternehmen Jochen Schweizer® so viel Erfolg?
Weil es den Menschen die Chance gibt, sich körperlich und geistig (gut behütet) neu zu entdecken. Und das bedeute Emotionen pur. - Den Schalter umlegen
Wir glauben, jeden von uns hat schon einmal ein „emotionaler“ Tiefschlag getroffen. Vom Ende der ersten großen Liebe bis zum Verlust eines besonderen Menschen geht die Spanne. Diese Momente zeigen uns sehr deutlich, wie verletzlich wir sind und dass die Zeit endlich ist! Diese bewusste oder unbewusste Reflexion schafft uns die geistige Freiheit, nicht nur etwas verändern zu wollen, sondern es auch wirklich zu können. Es ist die Chance aus altbekannten und eingeschliffenen Routinen auszubrechen.
Sophia Seiderer veröffentlichte am 07.04.2010 im Welt Print/Wissen den Beitrag: Das Gehirn mag keine Überraschungen. Sie beschreibt hier, dass „Arjen Alink und seine Kollegen vom Max-Planck-Institut für Hirnforschung in Experimenten mit Freiwilligen herausgefunden haben, dass erwartete oder bekannte Eindrücke vom Gehirn effektiver verarbeitet werden als unerwartete.“ Im Ergebnis bedeutet das, dass sich der Kopf stärker anstrengen muss, um unbekannte Inhalte zu interpretieren. Es liegt noch kein „Verarbeitungsmuster, keine Erfahrung“ vor. Dies aber verursacht Stress, schüttet aber auch Glückshormone aus. Einmal richtig erlebt und wir wollen es immer wieder. Der Lernprozess kommt langsam in Gang. Es fehlt noch die Orientierung!
In Ihrem Blog ZURÜCK ZU DIR beschreibt Katharina Pfingsten drei einfache Schritte:
Schritt 1: Lasse weg, was dich davon abhält, klarer (im Kopf) zu werden.
Schritt 2: Klar denken – klar sprechen – klar handeln (Gedanken zu Worte zu Taten)
Schritt 3: Entscheide dich, dich zu entscheiden (Kleine, aber wirksame Schritte)
An dieser Stelle erlauben wir uns aber den „Zeigefinger“ zu heben! Wir alle sind, wenn wir es bis hierhergeschafft haben, voller emotional unterlegter Erwartungen. Das ist ok! Aber nur solange, wie diese Erwartungen realistisch und keine Wunschvorstellungen sind. Letztere führen leider zum Absturz und setzen uns auf „Start“ zurück. - Einen Vertrag mit sich selbst schließen
„Wenn die Träume fliegen, verliert man den Verstand, gewinnt aber an Freiheit!“ So würden wir beginnen. Aber was steckt hinter dem Begriff Freiheit? „Freiheit ist ein Zustand, bei dem ein Individuum ohne jeglichen äußeren und inneren Zwang zwischen mehreren Optionen und Alternativen selbstbestimmt wählen (entscheiden) kann“ (https://www.wertesysteme.de/freiheit/). Doch was ist uns die Freiheit wert? Während die Älteren viel darüber philosophieren, leben die jungen gut ausgebildeten Menschen sie längst! Drei Dinge stehen für sie im Vordergrund: Sinnhaftigkeit, Nachhaltigkeit und die Konzentration auf die Entwicklung ihrer ganz individuellen Fähigkeiten. Freiheit ist die Grundlage dafür, Werte die Orientierung und Anerkennung das Ziel und der Lohn! Dafür lohnt es sich doch zu kämpfen – oder etwa nicht?
Was sind die Konsequenzen daraus? Die Zeiten, wo die Disziplin gebot, zunächst einen „ordentlichen“ Job zu erlernen, um eine Familie gründen und Sie ernähren zu können, sind vorbei. Selbstfindung ist nach der Schule an der Tagesordnung, weil für Selbstfindung und Talententwicklung unser Bildungssystem nicht ausgerichtet ist. Es wird „Nachgearbeitet“! Wer wirklich weiter kommen will geht dorthin, wo ihm die gewünschten individuellen Rahmenbedingungen geboten werden. Die „digital Natives“ tauchen ab in Ihre virtuellen Communitys und entwickeln dort eine Innovationsdynamik, die in gestandenen Unternehmen nicht mehr möglich ist. Die neue Welt ist digital, sie ist dynamisch und sie ist im höchsten Maße emotional. Das hat Auswirkungen.
Professor Christian Scholz von der Universität des Saarlandes (Betriebswirtschaftler und spezialisiert unter anderem auf Personalmanagement) formuliert es so: „Die (Generation Z) glauben diesen platten Sprüchen wie ‚der Mensch steht im Mittelpunkt‘ einfach nicht und fallen auch nicht auf Werbeslogans rein“. Und weiter: „Die haben gar keine Lust, sich mit Unternehmen auseinanderzusetzen. Entweder sie ignorieren Unternehmen, die sich in ihren Augen nicht gut verhalten; oder – sie gehen einfach“ (https://www.zdf.de/nachrichten/heute/mischt-die-generation-z-die-arbeitswelt-auf-100.html). - Es gibt viele Wege, aber nur einen individuellen persönlichen Fahrplan
Es gibt nicht mehr „das Ziel“, es gibt nur noch einen Zustand, den man mit aller Kraft erreichen will. Der ist nicht beschreibbar, der wird durch das Gefühl (im Bauch) bestimmt. Wie wäre das, wenn wir jeden Tag „bunte Schmetterlinge“ im Bauch hätten?
Drei mögliche Antworten:
• Der Rationale sagt: Nicht auszuhalten! Die pure Hölle!
• Der Geizige sagt: Da könnte ich viel Geld sparen!
• Und WIR sagen: Was könnte es Besseres geben!
Der Zustand definiert das Vorgehen. Aber es gibt keine Blaupause, keine klare Vorgehensweise, kein allgemeingültiges logisches mathematische Modell für den richtigen Weg. Was es braucht ist Mut, Entschlossenheit, Offenheit und Selbstvertrauen, es irgendwie zu schaffen! Und es klingt fast wie ein Spruch von der Kanzel: „Nutze die Intelligenz des Unbewussten und vertraue der Macht der Intuition“.
Gerd Gingerenzer beschreibt in seinem Buch „Bauchentscheidungen“ (Goldmann-Verlage 11. Auflage Juni 2008) das Phänomen des Kollidierens von Verstand und Intuition. Sinngemäß formuliert er: „Ein gewisses Maß an Dummheit stärkt die Möglichkeit zu gewinnen, ohne zu denken“! Was aber auch bedeutet, dass man selbst schon reichlich Erfahrung mit Erfolgen und Misserfolgen gemacht haben muss. Übung macht halt den Meister!